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Rechtsanwälte Andrae & Simmer

BGH: Kfz das zur Fahndung ausgeschrieben ist, leidet an Rechtsmangel

Mit einem etwas skurril erscheinenden, aber in der Praxis unter Umständen gar nicht so selten vorkommenden Fall hatte sich kürzlich der Bundesgerichtshof (Urteil vom 18. 1. 2017 – VIII ZR 234/15) in Revision nach Entscheidung des OLG Stuttgart zu befassen.

Der Kläger wollte eine Kaufvertrag rückabwickeln, den er mit der Beklagten Verkäuferin über einen gebrauchten Rolls Royce Corniche Cabrio für 29.000 EUR geschlossen hatte. Der Kläger hatte versucht, den Wagen anzumelden. Dabei tauchte dieser im Rahmen der behördlichen Prüfung im sog. Schengener Informationssystem (SIS), wo er von französischen Behörden, einige Monate bevor der Kläger ihn gekauft hatte, als gestohlen gemeldet worden war. Die Anmeldung erfolgte nicht und der Wagen wurde polizeilich sichergestellt. Zwar wurde die Sicherstellung später aufgehoben, da der angebliche Diebstahl offenbar nur vorgetäuscht worden war. Jedoch verblieb es bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH bei der Eintragung des Wagens im SIS. Der Kläger sah allein in der fortdauernden Eintragung im SIS (Fahndungsausschreibung) einen Rechtsmangel und trat vom Kaufvertrag zurück, verlangte insoweit dessen Rückabwicklung.
Zu Recht, wie nach dem erstinstanzlich zuständigen Landgericht später das OLG Stuttgart und nun der BGH bestätigten.  

Der BGH schreibt dazu (auszugsweise):

"Dem Kläger steht nach wirksamem Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 437 Nr. 2, §§ 435, 440, 323 BGB der geltend gemachte Rückgewähranspruch nach § 346 Abs. 1 BGB zu. […]Nach § 435 Satz 1 BGB ist die Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. […]Der Verkäufer muss daher, um seine Leistungspflicht vollständig zu erfüllen, nicht nur das materielle (Eigentums-) Recht als solches verschaffen, sondern auch dafür sorgen, dass der Käufer die Kaufsache unangefochten und frei von Rechten Dritter erwirbt und nutzen kann.[…] Ein Rechtsmangel liegt deshalb vor, wenn Rechte eines Dritten eine individuelle Belastung des Käufers ergeben, also geeignet sind, ihn in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen [… Es kommen dabei] nicht nur dingliche Rechte eines Dritten, sondern auch obligatorische Rechte in Betracht, wenn ihre Ausübung eine tatsächliche Beeinträchtigung der Nutzung für den Käufer bedeuten, indem sie dem Rechtsinhaber ein Recht zum Besitz der Sache verschaffen[…]Auch auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen und Bindungen, die die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen, können einen Rechtsmangel begründen[…]Nach [diesen] Maßstäben ist (bereits) die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die Fahndungsliste aufgrund einer SIS- Ausschreibung als Rechtsmangel anzusehen (so auch die einhellige Auffassung der Oberlandesgerichte; vgl. OLG Köln NJW-RR 2014, 1080; OLG Düsseldorf vom 20. Februar 2015 – I-22 U 159/14, juris; OLG München, Urteil vom 2. Mai 2016 – 21 U 3016/15, juris). Zwar handelt es sich bei dem Schengener Informationssystem (nur) um eine interne Datenbank der Sicherheitsbehörden des Schengen-Raumes, mit der – anders als bei einer bereits vollzogenen behördlichen Beschlagnahme oder Sicherstellung – noch kein unmittelbarer Eingriff in Form des Entzugs der Sache verbunden ist. Die Eigenart der auf einem internationalen Abkommen beruhenden SIS-Sachfahndung gebietet es jedoch, bereits die Eintragung als solche und nicht erst eine daraufhin erfolgende Beschlagnahme oder Sicherstellung als Rechtsmangel einzuordnen. Denn bereits die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dieses Fahndungssystem ist für den Käufer mit der Gefahr einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung verbunden und führt damit zu einer individuellen Belastung, die geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen."


Fazit:
Wer sicher gehen will, kein mit einem Rechtsmangel behaftetes Fahrzeug zu verkaufen und dabei verschuldensunabhängig auf Rückabwicklung zu "haften", der sollte wohl vorab einen Blick in das SIS werfen.


von RA Decker, Februar 2017


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