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Rechtsanwälte Andrae & Simmer

Rezension Zivilrecht: Das geistige Eigentum
 Schack / Jotzo / Raue, Das geistige Eigentum in 50 Leitentscheidungen, 1. Auflage, Mohr Siebeck 2012
Von Rechtsanwalt Florian Decker, Saarbrücken
 

Darf man einen ICE auf einem Werbeprospekt abbilden? Oder ein Verfahren patentieren lassen, das zwar Parkinson zu heilen verspricht, bei dem aber Embryonen zerstört werden? Diese beiden Fragen wirft das Werk gleich zu Anfang auf und drückt damit, zusammen mit seinem Titel, deutlich aus, was es leisten möchte. Fragen, zu denen sich keine klare Lösung im Gesetz, sondern eben allenfalls in bereits ergangener Rechtsprechung finden lassen, sollen in dem Buch aufgegriffen und anhand der entsprechenden höchstrichterlichen Rechtsprechung dargestellt werden. Das Buch will dabei einerseits die teilweise auf die Praxis nur schwer zu übertragenden abstrakten Regelungen aus dem Urheberrecht, Markenrecht und Patentrecht etc. pp. nicht nur zum einen greifbarer machen, sondern will zum anderen auch einen „intuitiven Einstieg in dieses faszinierende Rechtsgebiet ermöglichen“. Man richtet sich vor allem an Studierende des Schwerpunktbereiches sowie angehende Fachanwälte und möchte diesen einen guten Überblick über das Recht des geistigen Eigentums liefern und Gelegenheit geben, bestehendes Wissen noch zu vertiefen. Dazu werden die Entscheidungen zunächst für sich genommen dargestellt und sodann aber jeweils durch Anregungen zu Vertiefungen, weiterführende Fragen und umfangreiche Nachweise bereichert. So möchte man erreichen, dass die Entscheidung in einem Kontext eingebettet und Querverbindungen gezogen werden können. Soweit hier schon ältere Entscheidungen vorgelegt werden und sich zwischenzeitlich  die gesetzlichen Vorschriften verändert haben, so haben die Autoren –in lobenswerter Weise – daran gedacht, die aktuellen Gesetzesvorschriften zum besseren Verständnis mit einzupflegen.

Das Buch enthält zunächst 20 Entscheidungen aus dem Bereich des Urheberrechts die unter anderem die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sendung von Stefan Raabs „TV-Total“ die aktuelle Entscheidung des BGH zum Thema Softwareschutz mit der Bezeichnung „Used Soft“ oder auch die gerade in Filesharingfällen viel diskutierte BGH-Entscheidung aus dem Mai 2010 „Sommer unseres Lebens“ enthalten. Zum Patent- und Geschmacksmusterrecht verhalten sich die darauf folgenden 7 Entscheidungen. Das Geschmacksmusterrecht ist mit drei Entscheidungen vertreten, darunter z. B. die im Vorwort angesprochene Entscheidung zum ICE der Deutschen Bahn, in der die Schranken des Geschmacksmusterrechtes betroffen sind. Abgeschlossen wird die Sammlung sodann mit den Fällen 31 bis 50, die sich allein mit dem Markenrecht beschäftigen. Vertreten ist dabei z. B. die viel zitierte Entscheidung des BGH mit der Bezeichnung „Bananabay II“ oder auch zum Werktitelschutz (als Unterfall des Markenschutzes) die Entscheidung zur „Tagesschau“ des BGH aus dem Jahr 2001 und viele mehr.

Als konkretes Beispiel zur Art und Weise der Darstellung der einzelnen Entscheidungen sei die Nr. 50 herausgegriffen. Es handelt sich um BGHZ 164, 1 = GRUR 2005, 882 = JZ 2006, 362 (Faust), die sich der Überschrift gemäß mit der Thematik der „unberechtigten Schutzrechtsverwarnung“ befasst. Unter diesem Stichwort stellt man sich die Frage, was geschieht, wenn der Inhaber eines Schutzrechts (z.B. einer Marke) eine Abmahnung ausspricht (auch Schutzrechtsverwarnung genannt) und einen vermeintlichen Markenverletzer auffordert, in Zukunft eine erkannte Verletzungshandlung zu unterlassen, sich dann aber herausstellt, dass entweder das Markenrecht nicht mehr besteht oder die Verletzungshandlung nicht von dem Abgemahnten begangen wurde. Kann der Abgemahnte dann die ihm bei der Abwehr der Abmahnung entstandenen Kosten erstattet verlangen? Der BGH hielt fest, dass die unbegründete Verwarnung aus einem Kennzeichenrecht ebenso wie eine sonstige unberechtigte Schutzrechtsverwarnung unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des zu Unrecht Abgemahnten den Abmahnenden zum Schadensersatz verpflichten kann. In einem Auszug „aus den Gründen:“ wird das Wesentliche an der Entscheidung herausgehoben. Es ging im konkreten Fall nicht um eine Inanspruchnahme der Beklagten durch die Klägerin aus einer Marke. Die Beklagte betrieb wegen fehlender Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG die Löschung der Klagemarke beim DPMA und erreichte diese im Laufe des Verfahrens. In einer Widerklage machte sie die ihr durch das Löschungsverfahren entstandenen Kosten geltend. Der Große Senat stellte die vorher uneinheitliche Rechtsprechung zwischen dem 1. Zivilsenat und dem 10. Zivilsenat nunmehr wie beabsichtigt klar und erklärte, dass die unbegründete Verwarnung ebenso wie eine sonstige unberechtigte Verwarnung unter dem Gesichtspunkt des rechtswidrigen schuldhaften Eingriffes in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten können. Es werden die wesentlichen Entscheidungsgründe dargestellt. Auch die eingangs angekündigten „Anregungen zur Vertiefung“ sind enthalten. Am Ende der Entscheidung werden hier unter dieser Überschrift in 6 kurzen „Fußnoten“ die sich für den aufmerksamen Leser aus der Darstellung der Entscheidung ergebende Fragen konkret aufgeworfen und durch Hinweise auf die passenden Gesetzesnormen oder auf diese Fragen besprechende Quellen in Literatur und Rechtsprechung „beantwortet“. So z. B. die Frage „Welche anderen Anspruchsgrundlagen wären hier neben § 823 Abs. 1 BGB in Betracht gekommen?“ Auch wird die naheliegende Frage gestellt, welche Konsequenzen das Urteil für einen Schutzrechtsinhaber habe, der sich seines Rechts nicht ganz sicher sei und sich nicht mit Schadensersatzansprüchen des zu Unrecht Abgemahnten konfrontieren möchte, wird angesprochen. Diese Art der Vertiefungshinweise ermöglicht es dem Nutzer des Werkes, sich über den konkreten Fall hinaus zu seiner konkret recherchierten Fragestellung vorzutasten und dazu entsprechende Literaturstellen oder sonstige Antworten zu finden. Ein durchaus effektiver Ansatz.
 
Mit einem Verkaufspreis von 34,00 € für die broschierte Ausgabe ist das Buch für eine Entscheidungssammlung nun nicht unbedingt als billig zu bezeichnen. Dies auch weil der „Sparfuchs“ das Argument finden könnte, dass sämtliche enthaltene Entscheidungen auch frei in den Datenbanken z. B. des Bundesgerichtshofs online einsehbar sind. Allerdings ist gerade die Auswahl und sind gerade die Vertiefungsanregungen von großem praktischem Wert. Für den begrenzten Anwendungsbereich des Werkes und denjenigen, der genau diesen nutzen möchte, kann der Wert unter Umständen sehr viel höher liegen. Für den betroffenen Interessentenkreis ist das Werk also in jedem Falle empfehlenswert.
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