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Rechtsanwälte Andrae & Simmer


Das OLG München entschied in seinem Urteil vom 30.06.2011 zum Az.: 29 U 1455/11 - und insofern ein Urteil des Landgerichts Memmingen (Az.: 1 HK O 1755/10) -, dass die Angabe „Jahreswagen - 1 Vorbesitzer/1. Hand“ irreführend iSd § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG sein kann, wenn das beworbene Fahrzeug zuvor als Mietwagen genutzt wurde. 

Eine Opel-Vertraghändlerin war von einem Renault-Servicepartner-Betrieb angegangen worden. Beide boten auf einer Internetplattform Fahrzeuge zum Verkauf und standen daher im Wettbewerb. Die Opelhändlerin bot nun einen zuvor von einem Autovermietungsunternehmen genutzten Pkw zum Preis von 12.900,- € an, den sie in der Rubrik Fahrzeugkategorie mit der Angabe Jahreswagen -1 Vorbesitzer und in der Beschreibung mit 1. Hand bewarb, ohne auf die Nutzung als Mietwagen hinzuweisen. 

Die Antragstellerin hat das als irreführend angesehen, was die Gerichte bestätigten. Zur Begründung hatte das LG Memmingen ausgeführt, dass die angegriffene Angabe sei  

„geeignet, beim Werbeadressaten eine Qualitätsvorstellung zu bilden, welche die vorangegangene Nutzung als Mietwagen durch eine Vielzahl von Mietern nicht umfasse, und deshalb irreführend.“ 

Gegen dieses Urteil wendet sich die Opelhändlerin in ihrer zulässigen aber im Endeffekt unbegründeten Berufung zum OLG München. 

Das OLG bestätigte, dass dem Renault-Verkäufer der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3, § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG zusteht. Er sei als Mitbewerber der Opelhändlerin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Zwischen zwei Parteien bestehe  

„ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i. S. d. § 2 Abs.1 Nr. 3 UWG, wenn beide gleichartige Waren innerhalb desselben Endverbraucherkreises mit der Folge abzusetzen versuchen, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann.“  

Das Gericht vertritt dabei die vom Bundesgerichtshof gefestigte Ansicht, es seien im  

„Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes […] an das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BGH GRUR 2006, 1042 - Kontaktanzeigen Tz. 16 m. w. N.; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 2 UWG Rz. 95).“ 

Die Verkaufsanzeige mit der beanstandeten Angabe stelle eine geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, weil sie von der Antragsgegnerin mit dem Ziel geschaltet worden sei, den Warenabsatz zugunsten ihres Unternehmens zu fördern, und mit der Absatzförderung objektiv zusammenhängt (vgl. BGH, a. a. O., - Preiswerbung ohne Umsatzsteuer Tz. 21). 

Die beanstandete Angabe Jahreswagen - 1 Vorbesitzer/1. Hand sei irreführend und unlauter i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG. Diese zentrale Feststellung, die das Urteil auch für sich genommen bemerkenswert macht begründete der Senat wie folgt: 

„aa) Der Senat kann die Bedeutung, die die angesprochenen Verkehrskreise dieser Angabe beimessen, selbst feststellen. Es handelt sich dabei um die Anwendung von Erfahrungswissen (vgl. BGH GRUR 2007, 1079 - Bundesdruckerei Tz. 36 m. w. N.), über das die Mitglieder des Senats sowohl als Angehörige der angesprochenen Verkehrskreise als auch durch ihre ständige Befassung mit Wettbewerbssachen verfügen (vgl. BGH GRUR 2004, 244 [245] - Marktführerschaft m. w. N.; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 5 UWG Rz. 3.12). 

(1) Nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise handelt es sich bei einem Jahreswagen um ein Gebrauchtfahrzeug aus erster Hand, das von einem Werksangehörigen ein Jahr lang ab der Erstzulassung gefahren worden ist (ebenso BGH NJW 2006, 2694 Tz. 8; OLG Oldenburg, Urt. v. 16. September 2010 - 1 U 75/10, Juris, dort Tz. 18; Bornkamm, a. a. O., § 5 UWG Rz. 4.64a). Seine Ursache hat dieses Verkehrsverständnis in der langjährigen Übung von Fahrzeugherstellern, ihren Werksangehörigen einmal jährlich beim Kauf eines Neuwagens erhebliche Rabatte zu gewähren (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl. 2009, Rz. 1431), so dass die von den Ersteigentümern regelmäßig sorgfältig behandelten Fahrzeuge nach einem Jahr zum Verkauf angeboten wurden. Ist das Fahrzeug seit seiner Erstzulassung nicht durch einen Werksangehörigen, sondern als Mietwagen genutzt worden, handelt es sich schon deshalb nach der Verkehrsauffassung nicht um einen Jahreswagen (vgl. BGH NJW 2006, 2694 Tz. 8; unklar Reinking/Eggert, a. a. O., Rz. 1432, wonach die Beschränkung auf Werksangehörige als Erstbesitzer nicht mehr zeitgemäß sei, ohne dass aber zu Autovermietern ausdrücklich Stellung genommen würde). 

Das für den Streitfall maßgebliche Verkehrsverständnis ist nicht durch die Definition des Begriffs des Jahreswagens in der Richtlinie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20. Februar 2009 (BAnz. S. 835, 1056) mit Änderungen vom 17. März 2009 und vom 26. Juni 2009 beeinflusst worden (a. A. OLG Karlsruhe, Urt. v. 28. Oktober 2010 - 4 U 133/10 [Anl. B 5]; OLG Nürnberg, Beschl. gem. § 522 Abs. 2 ZPO v. 22. Juli 2010 - 3 U 882/10 unter Bezugnahme auf einen vorangegangenen Hinweis v. 8. Juni 2010 [beide Anl. B 6]). Zwar erstreckt die Definition in Ziff. 4.3, 5. Spiegelpunkt, 2. Unterspiegelpunkt dieser Richtlinie den Begriff auch auf solche Fahrzeuge, die auf ein Automobilvermietungsunternehmen zugelassen waren. Diese Definition dient indes lediglich der Abwicklung der Gewährung der Umweltprämie (meist als Abwrackprämie bezeichnet). Für die damit verfolgte Förderung des Absatzes von Neufahrzeugen und der Verschrottung von Altfahrzeugen (vgl. Ziff. 1.1 der Richtlinie) konnte es angezeigt sein, junge Gebrauchtfahrzeuge auch dann in die Förderung einzubeziehen, wenn sie von Autovermietern oder anderen Unternehmen veräußert wurden, und für solche Fahrzeuge den Begriff des Jahreswagens zu verwenden. Mit dem auf die Übung von Werksangehörigen gründenden Verkehrsverständnis dieses Begriffs hat sie nichts zu tun. Auch aus der Popularität der Umweltprämie folgt keine hinreichende Kenntnis der Verkehrskreise der potentiellen Gebrauchtwagenkäufer, dass sich der Begriff des Jahreswagens neuerdings auch auf ehemalige Mietwagen erstrecke, sondern allenfalls die Kenntnis, dass die Umweltprämie auch beim Kauf ehemaliger Mietwagen gezahlt werde. Im Übrigen ist der Kauf eines Kraftfahrzeugs kein Geschäft, dass regelmäßig in derartig kurzen Zeitabständen wiederholt würde, dass die Feststellungen des Bundesgerichtshofshofs zum Verkehrsverständnis in dessen Entscheidung aus dem Jahr 2006 bereits obsolet wären. 

(2) Auch die weitere Angabe 1 Vorbesitzer/1. Hand besagt, dass das Fahrzeug nicht von einem Autovermieter gehalten worden sei. 

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (a. a. O.) beschränkt sich der Gehalt dieser Angabe nicht darauf, dass im Fahrzeugbrief (nunmehr: Zulassungsbescheinigung Teil II) nur ein Halter eingetragen sei. Vielmehr ist für den Kaufinteressenten von Bedeutung, ob das Fahrzeug durch mehrere Hände gegangen und dabei in besonderem Maße abgenutzt worden ist. Selbst wenn es auch bei der privaten Verwendung als dem typischen Fall des Verkaufs aus erster Hand nahe liegt, dass das Fahrzeug nicht nur vom Halter, sondern daneben von dessen Familienmitgliedern oder Bekannten genutzt worden ist, so geht der Verkehr doch davon aus, dass ein solches Fahrzeug schon wegen der Verbundenheit dieser Nutzer mit dem Halter sorgsamer behandelt worden ist als ein Mietwagen. Dagegen wird die Verwendung als Mietwagen vom Verkehr wegen der zahlreichen tatsächlichen Nutzer, die keine Veranlassung haben, das Fahrzeug in einer auf längeren Werterhalt angelegten Weise sorgsam zu behandeln, als abträglich angesehen und begründet einen merkantilen Minderwert (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 2009, 551; Reinking/Eggert, a. a. O., Rz. 1595 f.). Deshalb wird die Angabe 1 Vorbesitzer oder 1. Hand bei der Bewerbung eines Gebrauchtwagenangebots vom Verkehr gerade dahin verstanden, dass das Fahrzeug nicht in einer derartigen Art und Weise von einer Vielzahl von Fahrern genutzt worden sei (vgl. OLG Oldenburg, a. a. O., Tz. 23; OLG Hamm GRUR-RR 2011, 189 f. - Mietwagen aus erster Hand). 

bb) Die mit der im Streitfall beanstandeten Angabe Jahreswagen - 1 Vorbesitzer/1. Hand begründete Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise trifft im Streitfall nicht zu, weil das so beworbene Fahrzeug von einem Autovermieter gehalten worden war. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind die übrigen Bestandteile des Angebots nicht geeignet, die dadurch begründete Irreführungsgefahr auszuräumen.

Weder die Laufleistung von mehr als 20.000 km noch der Umstand, dass das Fahrzeug vor weniger als einem Jahr zugelassen worden war, oder die Möglichkeit des Mehrwertsteuerausweises eröffnen den angesprochenen Verkehrskreisen für sich genommen oder in der Zusammenschau die sichere Möglichkeit, die durch die beanstandeten Angaben begründete Fehlvorstellung zu korrigieren. Diese Umstände mögen für den Branchenkenner mehr oder weniger aussagekräftige Hinweise auf eine Nutzung als Mietwagen darstellen; sie sind für denjenigen unergiebig, der sich nicht regelmäßig mit den Gepflogenheiten des Gebrauchtwagenmarkts auseinandersetzt, sondern sich lediglich aus Anlass seines Vorhabens, sich einen Gebrauchtwagen zu kaufen, mit dem Angebot befasst. So wird der Hinweis MwSt. ausweisbar bei der Preisangabe von einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise inhaltlich nicht verstanden oder jedenfalls nicht als Indiz für eine gewerbliche Vornutzung erkannt. Weder die hohe Laufleistung noch die sich aus der Nennung des Erstzulassungsmonats ergebende Nutzungsdauer von zehn Monaten sind mit einer Privatnutzung unvereinbar, so dass ein Interessent keine Veranlassung hat, seine durch die unzutreffenden Angaben begründete Vorstellung zu korrigieren. 

cc) Die durch die beanstandeten Angaben begründete Fehlvorstellung ist wegen der wertbildenden Bedeutung der Nutzungsart, über die getäuscht wird, wettbewerblich relevant (vgl. OLG Hamm, a. a. O., - Mietwagen aus erster Hand; vgl. auch OLG Stuttgart, a. a. O., zur Möglichkeit des Käufers, den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten). Dass ein durch das Internetangebot angelockter Interessent auf Nachfrage - wie im Streitfall geschehen -auf die Mietwageneigenschaft hingewiesen wird, ändert nichts an dem Anlockeffekt, den die Anzeige wegen ihres irreführenden Inhalts bewirkt; bereits diesem Anlockeffekt kommt wettbewerbliche Relevanz zu (vgl. Bornkamm, a. a. O., § 5 UWG Rz. 2.193).“ 

 

FAZIT:

Obacht beim Autoverkauf und insbesondere beim Anbieten von Kfz insbesondere auf Onlineplattformen (wo diese von der Konkurrenz leicht bemerkt werden können). Ganz schnell handelt sich hier der Autohändler eine Abmahnung ein, gegen die er sich – wenn der Fall so liegt wie hier – nur schwer verwehren kann. 

Hinzu kommt, dass auch eine zivilrechtliche, konkret kaufrechtliche, Haftung im Rahmen der Gewährleistung in Frage kommt. Wenn nämlich ein Kunde auf die Angabe „Hereinfällt“, also der vom Wettbewerbsrecht angeprangerte Irrtum wirklich entsteht, dann kann man in der Zusage des Wagens aus 1. Hand und der folgenden Lieferung eines Mietwagens, durchaus einen Mangel sehen. Evtl. trifft den Autoverkäufer hier sogar einen Offenbarungspflicht. Unterlässt er daher hier die Angabe „Mietwagen“ kann man ihm das durchaus auch als arglistige Täuschung auslegen. Dann wäre der Kunde evtl. auch nach längerer Nutzung noch zur Anfechtung berechtigt. 

Ergänzend sei hierzu auf das Urteil des OLG Hamm vom 20.07.10, Az.: I-4 U 101/10 (hierüber hatten wir berichtet im Rahmen unseres Autohausnewsletters im Oktober 2010). 

 

RA Decker

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