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Rechtsanwälte Andrae & Simmer
BGH zu „gekauft wie besichtigt“; Gewährleistungsausschluss beim Kauf gebrauchter Gegenstände
BGH (Urt. v. 6.4.2016, Az. VIII ZR 261/14)
 
Die Wendung „wie besichtigt“ beim Kauf gebrauchter Gegenstände und insbesondere auch etwa beim Kauf von Gebrauchtwagen im Vertrag einzubauen ist eine seit vielen Jahren mit großer Verbreitung gepflegte Übung. Meist taucht die Wendung im Rahmen noch weitergehend ausformulierter Gewährleistungsausschlüsse auf. Es ist aber oft im Einzelnen streitbar, was nun ggf. von dem Ausschluss mit dieser Formulierung erfasst wird und was nicht. Der BGH hatte sich nun mit einem solchen Fall zu befassen und hält fest, dass die Wendung "wie besichtigt" an eine vorangegangene Besichtigung anknüpfe und sich deshalb in der Regel nur auf solche Mängel beziehen könne, die bei Besichtigung für den jeweiligen Käufer (nicht etwa für einen Sachverständigen) wahrnehmbar waren.
 
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin für ihr Unternehmen (Herstellen von Metallwerkstücken, konkret Achsen) eine gebrauchte CNC-Zyklendrehmaschine bei der Beklagten erworben. Auf schriftliches Angebot hin besichtigte sie die Maschine. Auch die Zeichnung eines zu bearbeitenden Werkstücks wurde dabei vorgelegt und mit der Beklagten angesehen. Die Bestellung erfolgte telefonisch und wurde mit einer schriftlichen "Auftragsbestätigung" bestätigt. In dieser Bestätigung war sodann vermerkt, dass die Maschine im Zustand wie bei der Besichtigung geliefert werde. Als die Klägerin die Maschine nutzte stellte sich heraus, dass die auf o.g. Zeichnung gezeigten Werkstücke nicht zufriedenstellend von der Maschine hergestellt wurden. Die Beklagte versuchte nachzubessern, blieb aber erfolglos. Die Klägerin erklärte den Rücktritt und verlangte Rückabwicklung. LG und OLG nahmen wegen der Wendung in der Auftragsbestätigung („wie bei der Besichtigung“) einen Ausschluss jeglicher Gewährleistung an und wiesen die Klage ab. Der BGH teilte diese Ansicht nicht und hob auf die Revision der Klägerin hin das Berufungsurteil auf. Es verwies die Sache zur Klärung der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche an das OLG zurück. Man könne nicht allein wegen des Passus „wie besichtigt“ von einem Ausschluss jeder Gewährleistung ausgehen. Der BGH führte weiter aus (Auslassungen stammen vom Verfasser):
 
[...] Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haben die Parteien mit der streitigen Klausel ("Im Zustand wie in unserem Lager […] vorhanden und von Ihnen […] besichtigt") keinen vertraglichen Ausschluss jeglicher Gewährleistung [...] vereinbart. aa) Die Auslegung des vertraglichen Gewährleistungsausschlusses durch das Berufungsgericht unterliegt, selbst wenn es sich [...] um eine Individualvereinbarung handelt, in der Revisionsinstanz jedenfalls einer (eingeschränkten) Nachprüfung darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht [...] bb) Das Berufungsgericht hat bereits nicht erwogen, ob der einleitende Passus der "Auftragsbestätigung" angesichts der an späterer Stelle in eine gegenläufige Richtung weisenden Garantie der Beklagten nach dem insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont der Klägerin  überhaupt als ein Gewährleistungsausschluss verstanden werden kann oder ob darin nicht etwa nur ein warenbeschreibender Hinweis auf den im Zuge der Besichtigung konkretisierten und damit ausgesonderten Liefergegenstand (vgl. § 243 Abs. 2 BGB) gelegen hat. Schon der Wortlaut der Vereinbarung, der ausschließlich auf den Zustand "wie besichtigt" abstellt, spricht gegen einen umfassenden Gewährleistungsausschluss. Zudem hat das Berufungsgericht nicht bedacht, dass Freizeichnungsklauseln - als Ausnahme von der sich aus dem dispositiven Recht ergebenden Haftung - grundsätzlich eng auszulegen sind [...](1) Gewährleistungsausschlüsse, die durch die Wendung "wie besichtigt" an eine vorangegangene Besichtigung anknüpfen, beziehen sich in aller Regel nur auf bei der Besichtigung wahrnehmbare, insbesondere sichtbare Mängel der Kaufsache [...] Wird dabei zugleich der Bezug zu einer Besichtigung des Käufers hergestellt, kommt es auf die Wahrnehmbarkeit des Mangels durch ihn und nicht darauf an, ob eine sachkundige Person den Mangel hätte entdecken oder zumindest auf dessen Vorliegen hätte schließen können und müssen [...] (2) Um derartige, bereits bei einer bloßen Besichtigung der Maschine im Lager der Beklagten wahrnehmbare Mängel streiten die Parteien indes nicht. Vielmehr macht die Klägerin grundlegende Mängel der Funktionsfähigkeit und der Konstruktion geltend, die erst später im laufenden Betrieb der Maschine bei der Bearbeitung verschiedener Werkstücke erkennbar geworden seien. Demgegenüber hatte die in der "Auftragsbestätigung" angesprochene Besichtigung nur in einer bloßen Sichtprüfung ohne Funktionstest bestanden.[...]
 
Fazit:
 
Der Verkäufer kann Wendungen wie „gekauft wie besichtigt“ oder auch „gekauft wie gesehen“ und Ähnliche Varianten grds. wohl kaufrechtlich unschädlich in seinen Formularverträgen und Auftragsbestätigungen verwenden. Der Nutzen solcher Passagen ist aber grds. eher begrenzt. Insofern greift stets und auch ohne vertragliche Regelung der § 442 BGB nachdem keine Gewährleistung für bei Kauf bekannte Mängel erfolgen muss. „Wie gesehen“ dehnt nach dem Verständnis des Verfassers, im Sinne der Rechtsprechung des BGH die Haftungsbegrenzung insoweit auf bei Besichtigung sichtbare bzw. erkennbare Mängel aus, sodass der Verkäufer nicht mehr die positive Kenntnis im Sinne des § 442 BGB nachweisen muss. Diejenigen Fälle, in denen eine solche Klausel in der Praxis einmal Auswirkungen zeitigen kann, dürften recht selten sein. Der o.g. Fall war in dessen wohl ein solcher.
 
 
 
von RA Florian Decker, August 2016
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