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Rechtsanwälte Andrae & Simmer

Zwei Urteile aus dem Spannungsfeld Online-Autohandel und Widerrufsrecht im B2C-Geschäft

Auch Autohäuser sind heutzutage immer mehr gezwungen, Ihre Angebote auch über Internet zu bewerben. Sei dies nun über ein eigenes Portal oder über Anbieter wie z.B. mobile.de oder Autoscout24. Dabei haben die Anbieter auf einmal ganz neue Rechtsanforderungen zu bewältigen, wie u.a. die Impressumspflichten nach § 5 TMG oder Widerrufsrechte der Kunden. Wird zum Beispiel ein Autokaufvertrag nur per Angebot im Online-Portal und danach per E-Mail, Fax und Telefon (alles sog. Fernkommunikationsmittel) geschlossen und verkauft man ("Gott bewahre") auch noch an eine Privatperson für deren private, nichtberufliche Nutzung (einen "Verbraucher"), so muss man diesen über dessen Widerrufsrecht (§§ 312 b,d, 355 BGB) belehren und dieses auch ggf. gewähren. Widerruft der Verbraucher den Kaufvertrag innerhalb der Frist, so ist der Vertrag rückabzuwickeln. 20% Wertverlust durch Ingebrauchnahme hin oder her. Belehrt man nicht oder falsch, so läuft die Widerrufsfrist von 14 Tagen oder einem Monat gar nicht und es könnte theoretisch auf immer und ewig widerrufen werden (ganz zu schweigen davon, dass eine falsche Widerrufsbelehrung auch einen abmahnbaren Wettbewerbsverstoß darstellt). Wann aber ist ein Käufer also ein so gefährlicher Verbraucher und wer muss das beweisen? Kann ein nicht bzw. nicht ordnungsgemäß belehrter Kunde wirklich "auf alle Zeit" sein Widerrufsrecht ausüben?

Mit der ersten Frage hatte sich zuletzt das OLG HAMM im Urteil vom 29.03.2012, I-28 U 147/11 auseinanderzusetzen. Das beklagte Autohaus wollte sich hier ziehen mit der Behauptung aus der Affäre, der Kunde habe nicht als Privatperson gekauft sondern als Unternehmer (Anm.: Folge wäre beim Vorortgeschäft, dass die Beweislastumkehr nach § 476 BGB nicht eingriffe, dass Haftungsbeschränkungen ggf. wirksam würden, die gegenüber dem Verbraucher unwirksam wären). Beim Onlinegeschäft ginge es um das Bestehen oder Nichtbestehen von Widerrufsrechten. Das Gericht führte hier nun aus, dass der Kläger zwar objektiv Verbraucher sei. Der Beklagte habe aber Umstände bewiesen, wonach das Handeln des Klägers der gewerblichen  Sphäre zuzuordnenwäre. Stehe fest, so das Gericht weiter, dass objektiv ein Verbrauchergeschäft gegeben sei, so treffe den Verkäufer die Beweislast für das Gegenteil. Zweifel gingen dabei zunächst zu Lasten des Verkäufers, da beim Kauf einer natürlichen Person (im Gegensatz zu juristischen Personen, wie GmbHs oder oHGs, die Formkaufleute sind) vermutet werden könne bzw. müsse, dass das Geschäft deren privater Sphäre zugehöre. Vorliegend konnte sich das beklagte Autohaus jedoch damit aus der Affäre ziehen, dass es nachwies, dass der Käufer rote Nummernschilder dabeihatte (die privaten Personen normalerweise nicht zur Verfügung stehen) und auf dem Vertragsformular noch dazu angekreuzt hatte "Käufer ist Gewerbetreibender, somit keine Gewähr auf Sachmängel". Das Autohaus ist also von vornherein grds. in der „Bringschuld“, kann aber durchaus auch in einem solchen Fall „ungeschoren“davonkommen.

Das LG BERLIN hatte sich so dann im Urteil vom 10.03.2011, 5 O 312/09 mit der zweiten Frage zu beschäftigen. Hier hatte es mit einem Extremfall aus dem Bereich „später Widerruf“zu tun. Für den Lauf der Widerrufsfrist im Fernabsatzautokauf gilt § 355 BGB. Dort heißt es in Abs.3: "Die Widerrufsfrist beginnt, wenn dem Verbraucher eine den Anforderungen des § 360 Abs. 1 entsprechende Belehrung über sein Widerrufsrecht" übermittelt wurde. Nach § 355 Abs.4 Satz 2 "erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht entsprechend den Anforderungen des § 360 Abs. 1 über sein Widerrufsrecht in Textform belehrt worden ist, [...].". Nun hatte vorliegend ein rechtskundiger Verbraucher (natürlich ein Anwalt, wie sollte es sonst sein) nach zwei Jahren Vertragslaufzeit den Widerruf erklärt. Er war nicht denn Vorschriften belehrt, daher durfte er das eigentlich tatsächlich tun, was zum größten Schaden des Autohauses gewesen wäre (da für die zwei Jahre wg. Widerruf auch keine Nutzungsentschädigung fällig würde). Das Gericht hatte aber in diesem Fall ein Einsehen und erklärte, dass ein Rechtsmissbrauch gegeben und der Widerruf nach Treu und Glauben unwirksam sei. Es entspreche nicht dem Verbraucherschutzgedanken der Widerrufsnormen, es einem berufstätigen und über das Widerrufsrecht bestens unterrichteten Anwalt, auch wenn er für die private Nutzung kauft, zu erlauben, ein Fahrzeug trotz Kenntnis des Widerrufsrechts von Anfang an, zwei Jahre weiterzunutzen. Das Widerrufsrecht soll (das steckt hinter der Entscheidung) nämlich dem Verbraucher nur im Onlinehandel ermöglichen, die Ware wie ein Kunde vor Ort prüfen zu können. Bei Nichtgefallen kann der Onlinekäufer die Ware nicht wieder ins Regal stellen und muss sich daher, um den gleichen Schutz zu haben, wieder vom Vertrag lösen können. Er soll sich aber nicht auf Kosten des Verkäufers bewusst und absichtlich bereichern dürfen. Das hat da LG hier verhindert. ABER ACHTUNG: Da Gericht hat hier bewusst eine Ausnahme für diesen Fall gemacht. In anderen Fällen kann diese Komödie theoretisch zum „Sieg des Verbrauchers“ führen.


von RA Florian Decker
August 2012
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