Rezension: Brexit, Privat- und wirtschaftsrechtliche Folgen
Kramme / Baldus / Schmidt-Kessler ua, Brexit, Privat- und wirtschaftsrechtlichen Folgen, 2. Auflage, Nomos 2020
Von Rechtsanwalt Florian Decker, Rechtsanwälte Andrae & Simmer, Saarbrücken, 29.06.2020
Die zweite Auflage des Werkes, das erstmals in 2016 erschienen war, wurde notwendig, da sich die Verhandlungen über den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs viel weiter hinzogen, als eigentlich erwartet worden war. Sie gerieten zu einer (wie der Herausgeber es im Vorwort auf den Punkt bringt) regelrechten „Hängepartie“. Diese setzte politisch immerhin neue Maßstäbe, schuf aber eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Die Folgen waren schwer zu erfassen und schwerer zu vermitteln. Das vorliegende Werk hat versucht (mit Stand gegen Ende 2019) sich mit den damals denkbaren Szenarien auseinanderzusetzen. Man hat sich darauf verlegt den weichen und den harten Brexit näher zu diskutieren. Logisch mögliche, dazwischen oder daneben liegende Szenarien wurden im Wesentlichen ausgeklammert, da diese als sehr unwahrscheinlich erschienen.
Zum Zeitpunkt, in dem der Rezensent dieses Buch bespricht, ist noch immer nicht klar, wie genau die Geschichte ausgehen wird. Indes wurde das Austrittsabkommen zwischenzeitlich immerhin ratifiziert. Die Übergangsphase läuft und soll wohl nicht verlängert werden. Die Verhandlungen über die weiteren Beziehungen des VK zur EU laufen indes weiter.
Noch immer sind also viele der Überlegungen aus dem Werk aktuell und relevant und daher auch für die Rechtspraxis interessant. Indes leider nicht mehr alle. Das ist aber nicht einem fehlerhaften Konzept des Werkes sondern schlicht der Natur der Sache geschuldet.
Betroffen sind aufgrund der vielfältigen Verstrickungen der beteiligten Nationalstaaten natürlich auch viele Rechtsbereiche. Das Werk versucht hier einen Querschnitt zu liefern und bringt auf seinen etwas mehr als 800 Seiten insgesamt fünf Abschnitte unterteilt in 28 Paragraphen (die die eigentlichen Teilthemen betreffen) unter. Beginnend mit den Grundlagen über die Besprechung des Austrittsabkommens gelangt man zu der Darstellung der Folgen für das privat- und Wirtschaftsrecht (was den wesentlichen Teil des Werkes ausmacht). Daran schließt sich ein Abschnitt an, der sich mit den Folgen speziell für Schottland und Nordirland befasst. Zuletzt findet sich dann eine Besprechung für die nationale Gesetzgebung, die den Austritt Großbritanniens wird begleiten müssen.
Im § 22 etwa findet sich ein Kapitel zum Recht des geistigen Eigentums. Dort wird unter anderem (indes auf sehr knappem Raum) etwa auf das Markenrecht eingegangen. Hier wird die Ausgangslage (teilharmonisiertes Recht, Unionsmarkenverordnung, MarkenRL usw.) zunächst kurz aber zutreffend dargestellt. Zu den Auswirkungen auf das Fortbestehen erworbenen Markenschutzes findet sich nicht viel. Indes wird hierzu im Fazit zu § 22 noch ergänzt, was in Zukunft wohl gelten würde. Die Ausführungen sind recht allgemein gehalten. Einzelne Szenarien, wie die Berater sie derzeit in der Rechtspraxis lösen müssen, wurden nicht in Tiefe besprochen. Es werden eher Ideen geliefert, an welchen Stellen sich Konsequenzen ergeben können. Diese werden teils konkret benannt, aber nicht abschließend aufgearbeitet. Dies ließ auch der Umfang des Werkes nicht zu. Wer als Spezialist tief in einem Problemthema steckt, wird sich hier Ideen abholen bzw. aus dem Werk einen Lösungsansatz ableiten können, zur Lösung des Problems aber wohl noch andere Quellen hinzuziehen müssen.
Ganz konkrete Probleme löst das Werk wohl allenfalls in wenigen Fällen. Gelungen ist allerdings der wohl beabsichtigte Rundumschlag, der – wenn man so will – zügige Ritt durch die betroffenen Rechtsgebiete also; sodass jedenfalls für jeden geeignete Anhaltspunkte für Problemstellungen und weitere Recherchen gefunden werden können.
Es liegt in jedem Falle ein Nachschlagewerk vor, dass auch noch in den kommenden Monaten (und sicherlich auch nach Abschluss der Übergangsphase noch) von Nutzen für den Rechtsberater wird sein können. In Teilen beinhaltet das Werk indes – den Umständen geschuldet – schon heute „gelebte Rechtsgeschichte“.