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Rechtsanwälte Andrae & Simmer

BGH: Zurückbehaltungsrecht des Käufers auch bei geringfügigen Schäden
 
Zur Frage des Zurückbehaltungsrechts des Käufers bei geringfügigen Schäden an der Kaufsache war ein aktueller Fall zunächst vom Amtsgericht Wangen im Allgäu  (Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 C 91/14 ) sodann vom Landgericht Ravensburg (Urteil vom 25. August 2015 - 1 S 86/14) und nunmehr im Rahmen der Revision der Bundesgerichtshof zu entscheiden (Urteil vom 26. Oktober 2016 - VIII ZR 211/15).

Der Beklagte hatte beim klagenden Autohändler 2013 einen neuen PKW bestellt, den der Kläger vereinbarungsgemäß kostenlos an den Wohnort des beklagten Käufers liefern sollte, was er auch tat. Die ausliefernde Spedition verursachte einen kleineren Lackschaden. Noch am Tag der Auslieferung erklärte der Beklagte, er weise das Fahrzeug wegen des Mangels zurück und gebe den nicht frei. Laut Kostenvoranschlag eines Autolackierbetriebes sollte die Reparatur 528,30 € kosten. Die Klägerin war bereit maximal 300 € zu übernehmen.  Man wurde sich nicht einig. Die Klägerin ließ den Schaden letztlich beheben und lieferte den Wagen erneut aus. Hernach vertrat die Klägerin die Auffassung, der Käufer müsse ihr die Transportkosten für die zweite Auslieferung (er habe schon beim ersten Mal den Wagen inklusive des „Bagatellschadens“ abnehmen müssen) und Standgeld zu erstatten.

Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat hervorgehoben, dass der Käufer auch bei geringfügigen (behebbaren) Mängeln grundsätzlich weder den Kaufpreis zahlen noch das Fahrzeug abnehmen müsse, bevor der Mangel beseitigt sei.  Dies ergebe sich direkt aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Hieraus folge das Recht des Käufers, vom Verkäufer die Beseitigung von Mängeln der Sache zu verlangen und bis dahin die Zahlung des (gesamten) Kaufpreises nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB und die Abnahme des Fahrzeugs nach § 273 Abs. 1 BGB zu verweigern. Die Geringfügigkeit des Mangels spiele hierbei keine Rolle.

Allenfalls, so der BGH, könne es ausnahmsweise und auch nur im Einzelfall einmal gegen Treu und Glauben verstoßen (und deshalb unwirksam sein) sich auf dieses Zurückbehaltungsrecht zu berufen. Dies sah das Gericht vorliegend als nicht angezeigt an, zumal die Klägerin sich schon nur widerwillig und nicht etwa aus eigenem Antrieb bereit erklärt hatte, den von ihrem Gehilfen (Spedition) verursachten Lackschaden beseitigen zu lassen. Sie hatte nur Kostenübernahme und dies auch nur zum Teil angeboten. Indes oblag es gerade der klagenden Verkäuferin eigentlich, einen solch einen Reparaturauftrag zu erteilen, da dies zur Erfüllung ihrer Verkäuferhauptpflichten (mangelfreie Lieferung) notwendig.  Die Klägerin war hier also nicht schutzwürdig.

Darüber hinaus hielt der BGH auch fest, dass es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen (Transportkosten und sogenanntes "Standgeld") um Kosten handele, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrages erforderlich waren und daher ohnehin von ihr als Verkäuferin zu tragen waren. Dies zumal kostenlose Auslieferung vereinbart war, die nach Gesetz mangelfrei erfolgen musste.

Die Entscheidung beruht hier schlicht auf einer konsequenten Anwendung des Gesetzes auf den vorgelegten Sachverhalt und ist also richtig anzusehen. Das Zurückbehaltungsrecht, das bei synallagmatischen Verträgen (wie dem Kaufvertrag) aus dem Prinzip des do ut des bzw. der Leistung Zug-um-Zug resultiert, kennt kein wertendes Element. Es sieht gerade keine Ausnahme bei nur geringfügigem Zurückbleiben hinter der geschuldeten Leistung. Nur vollständige Leistungserbringung beseitigt den Einwand der (noch) nicht erbrachten (Gegen)leistung.



von RA Florian Decker, November 2016
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