Rezension: Lauterkeitsrecht
Münchener Kommentar, Lauterkeitsrecht, Bd. 1 (§§ 1 – 7 UWG), 3. Auflage sowie Sonderband zum Münchener Kommentar Lauterkeitsrecht (§§ 16 – 20 UWG), C.H. Beck 2020
von Rechtsanwalt Florian Decker, Rechtsanwälte Andrae & Simmer, Saarbrücken, Juli 2020
Die vorherige (zweite) Auflage des großen Kommentarwerkes stammt aus dem Jahre 2014. Seit damals hat sich die Rechtsprechung rund um die in diesem Werk kommentierten Gesetzeswerke natürlich umfangreich weiter entwickelt.
Kommentiert werden in Band 1 der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (dort Art. 34-36, 56, 57, 59 und 62) die Richtlinie über die unlauteren Geschäftspraktiken 2005/29/EG, die Geschäftsgeheimnis-Richtlinie EU/2016/943 sowie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§§ 1-7 UWG).
Im Sonderband werden außerdem die §§ 16-20 UWG kommentiert; in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutze von Geschäftsgeheimnissen (mit dem die Geschäftsgeheimnis-Richtlinie der EU in deutsches Recht umgesetzt worden ist). Daher sind im Sonderband auch noch die zwischenzeitlich weggefallenen §§ 17-19 UWG kommentiert worden. Der Sonderband, verantwortet von Brammsen, ist als Separatum vorgesehen, das insbesondere den Strafverfolgungsinstanzen, Verteidigern und anderen strafrechtlich am Lauterkeitsrecht Interessierten einen konsolidierten Zugang zu den strafrechtlich relevanten Bereichen des Wettbewerbsrechts bieten soll. Er wird alsbald möglich eine Überarbeitung erfahren müssen, zumal sich die gesetzliche Grundlage eben durch das zwischenzeitliche Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnis-Gesetzes verändert hat.
Die Kommentierung der einzelnen Rechtsnormen folgt in Bd. 1 wie auch im Sonderband (obwohl Letztere eine etwas abweichende Zielrichtung im Blick hat) einem gemeinsamen Schema; wie es auch aus sonstigen Kommentarwerken bekannt ist. Der Normtext wird dargestellt. Es folgt ein Inhaltsverzeichnis, das im Münchner Kommentar sehr umfangreich ausfällt und dadurch einen schnellen Zugriff auf die Einzelteile der Kommentierung erlaubt. Danach folgt in entsprechender Gliederung die Besprechung der Hintergründe der Vorschrift sowie der Tatbestandsmerkmale derselben. Auffällig sind die sehr umfangreichen Fußnotenapparate, die im vorliegenden Werk zum einen die höchstrichterliche Rechtsprechung, zum anderen aber auch in großem Umfang die einschlägige Literatur berücksichtigen. Insoweit unterscheidet sich das Werk von im Lauterkeitsrecht häufig anzutreffenden Praxiskommentaren. Auch der Sprache ist zu bemerken, dass hier ein eher wissenschaftlich denn praktisch orientierter Ansatz verfolgt wird.
Das Werk stellt insoweit weiterhin in den Vordergrund, das Europarecht mit dem nationalen Recht zu verzahnen, was in den letzten Jahren eine immer größere Berechtigung gefunden hat. Immer größere Teile auf das Lauterkeitsrecht sind einer gewissen Harmonisierung unterworfen und so kommt es immer häufiger auch zu Vorlagefragen der deutschen Gerichte an die europäischen Gerichte, die dann in nationalen Belangen Berücksichtigung finden müssen.
Ein gutes Beispiel für den wissenschaftlichen Ansatz wie auch die Berücksichtigung des europarechtlichen Hintergrundes ist hier etwa die Kommentierung zu § 7 UWG, der die Direktwerbung bzw. unzumutbare Belästigungen bei der Werbung betrifft (E-Mail-Werbung, Briefwerbung, Fax-Werbung et cetera). Hier wird in einem ausführlichen Abschnitt zunächst die Genese der heutigen Norm dargestellt, für die unter anderem die Umsetzung der europäischen UGP-Richtlinie eine Rolle spielte. Deren Vorgaben werden angeführt. Auch wird – unter anderem - das Verhältnis zur früheren Datenschutz-Richtlinie und der heutigen DSGVO sowie zur noch geltenden E-Commerce-Richtlinie wird erläutert. Es werden aber auch (und hier tritt die wissenschaftliche Tiefe zu Tage) ausführlich der Gesetzgebungsprozess beim deutschen Gesetzgeber und die Äußerungen der beteiligten Organe berücksichtigt und dargestellt. Unabhängig davon wird der Regelungsrahmen diskutiert und sowohl von nationaler wie auch von europäischer Ebene aus betrachtet. Die Kommentierung der Tatbestandsmerkmale selbst erfolgt sodann trotz es wissenschaftlichen Ansatzes gleichwohl (was bei vergleichbaren Werken nicht unbedingt und immer der Fall ist) in einer übersichtlichen, strukturierten Form und in klarer Sprache.
Bemängeln darf man insoweit, dass der Bd. 1 kein eigenes Inhaltsverzeichnis erhalten hat. Vermutlich wird dieses erst mit dem Bd. 2 gemeinsam veröffentlicht. Das macht die isolierte Nutzung des Bandes nicht einfacher.
Davon abgesehen liegt ein sehr wertvolles Werk vor. Es handelt sich (sowohl bei Bd. 1 als auch beim Sonderband) um Bücher, die der Praktiker sicher nicht jeden Tag wird in die Hand nehmen müssen. In der Regel genügen die vorhandenen Praxiskommentare für den täglichen Bedarf. Immer wieder aber tauchen natürlich auch und gerade in der Praxis Fragestellungen auf, welche in größerer wissenschaftlicher Tiefe beleuchtet werden müssen. Spätestens dann wird der Rückgriff auf ein Werk wie das vorliegende notwendig werden, sodass ein solches ausführlicheres Nachschlagewerk auch in der Praktiker-Bibliothek nicht wird fehlen dürfen.