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Rechtsanwälte Andrae & Simmer

Rezension Zivilrecht: Bewertungsportale im Internet
Wilkat, Bewertungsportale im Internet, 1. Auflage, Nomos 2013
von RA Florian Decker, Saarbrücken, Oktober 2013

In der entkörperten Internetwelt, wie sie der Verbraucher heute vorfindet, fühlen sich viele dadurch verunsichert, dass die Personen, mit denen man Geschäfte machen will, nicht mehr – wie dies in früheren Zeiten bekannt war – im Ladengeschäft vor einem stehen, man ihnen in die Augen sehen und persönlich im Hinblick auf ihre Zuverlässigkeit einschätzen kann, hat sich ein Bedürfnis nach einer neuen Form der Vertrauensbildung entwickelt. Da der Mensch daran gewöhnt ist, auf Empfehlung Dritter Vertragspartner auszusuchen (die sogenannte „Mundpropaganda“ ist nach wie vor als wirksame Werbeform anerkannt), war es insofern nur folgerichtig, dass sich im Internet verschiedene Bewertungsportale entwickelt haben, in denen andere Verbraucher von ihren Erfahrungen mit dem jeweiligen Verkäufer berichten und diesen aus dem einen oder anderen Grund weiterempfehlen oder wegen schlechten Verhaltens „anprangern“ können. Auch auf dieses neue Internetphänomen müssen nun die althergebrachten Normen des Grundgesetzes sowie der Bundes- und Landesgesetze angewandt werden, die sich mit der Regelung und den Grenzen Meinungskundgabe im weiteren Sinne befassen. Wie sich dies im Einzelnen darstellt, welche Regeln hier Anwendung finden, welche verschiedenen Konstellationen sich hier entwickelt haben (auch aus tatsächlicher Sicht) und wie all dies nun also in unser Rechtssystem eingeordnet werden kann, all dies hatte die Autorin hier zum Inhalt ihrer Dissertation gemacht.

Sie hat dies auf etwas mehr als 300 Seiten in dem vorliegenden Werk verwirklicht. Systematisch geht sie von der Entwicklungsgeschichte der Themenportale unter Benennung der dabei auch in der Presse bekannt gewordenen Schlagworte wie z. B. Spickmich.de aus und arbeitet sodann das dogmatisch schwierige Gebiet auf. Das Werk beschäftigt sich mit den hier charakteristischen Mehrpersonenverhältnissen von Bewertendem, Bewertetem und Portalbetreiber. Der Doktorvater der Herausgeberin, Prof. Dr. Boris P. Paal, M. jur. (Oxford) von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg lobt in seinem Vorwort, dass die Autorin dabei immer wieder „juristisches Neuland“ betrete, „klar erkennbare wissenschaftliche Zielsetzungen“ aufweise und z.B. auch die „gesamtgesellschaftlichen sowie die ökonomischen Rahmenbedingungen gelungen in Bezug genommen“ habe. In der Tat drückt sich bereits in der Einleitung zum Gegenstand der Arbeit aus, dass die Verfasserin durchaus die wirtschaftliche Tragweite und die verschiedenen Interessenlagen dieser Bewertungskonstellation erkennt und aus Sicht des Rezensenten, der in der täglichen Praxis mit dieser Thematik häufig beschäftigt ist, auch vollkommen richtig einordnet.

Die Autorin geht bei ihrer Auseinandersetzung so vor, dass zunächst das Entstehen des Phänomens der Internetbewertungsportale selbst untersucht wird, sodann eine Herausarbeitung der wirtschaftlichen Bedeutung der Portale erfolgt und sonach eine Erörterung der Rechtsschutzmöglichkeiten des von einer rechtswidrigen Bewertung Betroffenen angeschlossen wird. Im Nachgang wird das Dreiparteienverhältnis beleuchtet. Im zweiten großen Teil der Arbeit werden die rechtlichen Grenzen der Zulässigkeit produktbezogener Bewertungen ermittelt. Der dritte Teil befasst sich mit der Zulässigkeit der mittelbar und unmittelbar personenbezogenen Bewertungen unter verschiedensten rechtlichen Aspekten, wie z.B. auch solchen des Datenschutzrechts, die nun auf Anhieb bei der Thematik nicht ohne weiteres in den Sinn kommen mögen. Im vierten Teil der Arbeit, ganz praktisch relevant, werden die eventuell entstehenden Ansprüche des Bewerteten untersucht, die diesem aus einer rechtswidrigen Bewertung entstehen können. Ziel der Arbeit sei es, so die Autorin in der Einführung, den Interessenkonflikt zwischen den drei beteiligten Parteien sowie auch dritten Portalnutzern einer grundsätzlichen Klärung zuzuführen. Der dafür gewählte Ansatz ist in jedem Falle tauglich. Es wurde eine umfassende Aufarbeitung aus dogmatischer Sicht durchgeführt, die aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit aber nun natürlich nicht im Einzelfall jede Tiefe ausleuchten kann. Alle wesentlich erscheinenden Aspekte wurden aber zumindest angesprochen und sind durch Fußnoten auch nachvollziehbar gemacht. Wohl der Anlage der Arbeit geschuldet, gleichwohl eventuell als Kritikpunkt zulässig, mag die Feststellung sein, dass zwar eine mögliche Schadensersatzbeanspruchung aus vertragsrechtlichen Grundsätzen, konkret aus der Verletzung nebenvertraglicher Pflichten gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB angesprochen wird, dort aber zumindest eine wesentliche Konstellation ausgeklammert ist. Es wird hier festgestellt, dass zunächst einmal zwischen Bewertendem und Bewertetem eine vertragliche Beziehung bestehen müsse und dann darauf abstellt, dass dies in der Regel nur im Falle der Reise- und Hotelbewertungsportale sowie der Arzt-, Rechtsanwalts- und Handwerkerbewertungsportale der Fall sei. Eine wirtschaftlich wesentliche, wenn nicht gar die wesentlichste Konstellation, in der im Internet derzeit Bewertungen abgegeben werden, ist aber diejenige, dass Verkaufsportale wie www.ebay.de, www.amazon.de es ermöglichen, dass Mitglieder sich untereinander bewerten. Bewertungen können dann abgegeben werden, sobald ein Mitglied bei dem anderen Mitglied etwas gekauft hat. In diesem Falle haben sich beiden Mitglieder dann gegenüber dem Portalbetreiber verpflichtet, dessen AGB einzuhalten und sind direkt vertraglich (§ 433 BGB) verbunden. Gerade in den zwei genannten Beispielen sind dann in den Mitgliedschaftsnutzungsbedingungen entsprechende Rahmenbedingungen für die Nutzung des Bewertungsportals niedergelegt. Diese Konstellation wird von der Arbeit an genannter Stelle leider nicht berücksichtigt. Insoweit ist auch der Verweis auf die wohl eingreifende Ungültigkeit von AGB zur Bewertungsabgabe nach § 305c BGB zumindest verkürzt. Umgekehrt isst sehr lobenswert, dass das Problem auch aus datenschutzrechtlicher Sicht einmal aufgearbeitet wurde, was die Verfasserin umfänglich und nachvollziehbar tut.

Alles in allem kann der vorstehenden (leichten) Kritik zum Trotz in jedem Falle festgestellt werden, dass das Werk sowohl dem theoretisch/wissenschaftlich Interessierten als auch dem Praktiker empfohlen werden kann, welcher aus dem Werk sicher jede Menge Argumentationsstoff wird entnehmen können.
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